Mit dem Betreff „Verbreitung verschiedener Ideologien zum deutschen Staat, zur deutschen Staatsangehörigkeit und daraus resultierenden Rechten und Pflichten“ und Datum 31. Mai 2012 wendete sich das bundesdeutsche Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern an die Landkreise, kreisfreie und große kreisangehörige Städte, die Landräte, Oberbürgermeister, Staatsangehörigkeitsbehörden, Pass- und Personalausweisbehörden und Ordnungsbehörden.
Ich zitiere:
„Bei den selbst ernannten „Reichsbürgern“ handelt es sich zum Teil um rechtsextreme, zum Teil aber auch nur um Personen mit wirren Rechtsauffassungen. In vielen Fällen geht es darum, sich Gebühren- und Steuerzahlungen entziehen zu wollen.“
Falls es jemand nicht verstanden hat: Leute, die den Status der Bundesrepublik Deutschland als eigenständiges Völkerrechtssubjekt Deutschland bezweifeln, sind entweder Rechtsextreme oder Idioten oder beides, und sie wollen sich einfach nur ums Zahlen von staatlichen Rechnungen drücken. Das „zum Teil“ kommt beim Leser in den seltensten Fällen an. Die Schlüsselwörter bezüglich der Aussage sind „Reichsbürger“, „rechtsextrem“ und „wirr“.
„Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund fortbestehender Vorbehaltsrechte der Kriegsalliierten des 2. Weltkrieges gegenüber dem Deutschen Reich in ständiger Rechtsauffassung von ihrer Rechtsidentität mit dem Deutschen Reich als Völkerrechtssubjekt ausgegangen.“
Das ist falsch. Mindestens bis 1956 galt es als international verbindliche Tatsache, daß die Bundesrepublik Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs ist, also nicht etwa identisch mit diesem, da Rechtsnachfolge „denknotwendig“ zwei verschiedene Identitäten voraussetzt. Von „ständiger Rechtsauffassung“, also dem durchgängigen Vorhandensein der Rechtsauffassung einer angeblichen Subjektidentität mit dem Deutschen Reich kann also nicht die Rede sein.
Allerdings hatte der amtierende hessische Finanzminister 1951 einer Verhandlung vor dem Obersten Berufungsgericht der USA beigewohnt, und zwar laut „Bonner Rundschau“ ausdrücklich als Vertreter des Deutschen Reichs. 1953 beim Londoner Schuldenabkommen über die „deutschen Schulden“ trat die Bundesrepublik nicht als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs auf, wollte aber für die deutschen Auslandsschulden von vor dem 2. Weltkrieg haften. Dennoch war Konrad Adenauer (Bundeskanzler von 1949 bis 1963) sich offenbar sicher, Bundeskanzler der Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs zu sein. Sollte der Mann keine Ahnung gehabt haben?
Hochinteressant natürlich immer wieder die stereotypen Aussagen zur Staatsangehörigkeit in solchen Rundschreiben (Seite 2 und 3):
„Die Staatsangehörigkeit bezeichnet die besondere Beziehung zwischen Staat und Bürger, aus der sich gegenseitige Rechte und Pflichten ergeben. … Nach völkerrechtlichen Grundsätzen bestimmt jeder Staat selbst, unter welchenVoraussetzungen natürliche Personen seine Staatsangehörigkeit erwerben und verlieren. … Das Bundesverfassungsgericht stellte im Urteil von 31.07.1973 fest: „Artikel 116 GG geht davon aus, daß die deutsche Staatsangehörigkeit, die auch in Art. 116 Abs. 1 GG in Bezug genommen ist, zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist.„“
Ich gebe zu, dieser interessante Satz im vielzitierten Urteil ist mir bisher entgangen. Man schaue sich Art. 116 GG noch einmal genau an:
Art 116
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.
Ist hier irgendwo in Wortlaut oder Wortsinn zu ersehen, daß es eine Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland gebe? Das ist freie, also völlig willkürliche Interpretation seitens des Bundesverfassungsgerichts, dessen Aufgabe es ist, die Einhaltung des Grundgesetzes als Verfassung der Körperschaft Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen, nicht die Aussagen des Grundgesetzes nach Gusto umzuformulieren und losgelöst von Wortlaut und Wortsinn zu interpretieren, soweit mir bekannt ist.
Auf Seite 4 heißt es zur Frage der angeblichen Subjektidentität der Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Reich:
„b)
Die Hypothese, daß das Deutsche Reich fortbesteht und die Bundesrepublik Deutschland nicht handlungsfähig sei, ist schon deshalb rechtsirrig, weil die Bundesrepublik Deutschland 1990 alle ihr bis dahin vorenthaltenen Souveränitätsrechte in Bezug auf Deutschland als Ganzes von den alliierten Siegermächten des 2. Weltkrieges zurückübertragen bekommen hat.“
Was für eine unverfrorene Lüge. Ein Blick in den 2+4-Vertrag genügt. Wer bekam seine Souveränität zurückübertragen? Das „vereinte Deutschland“. Nirgendwo wird dort konstatiert, daß die Bundesrepublik identisch sei mit dem „vereinten Deutschland“. Es wird in diesem Dokument bis zum Schluß fein säuberlich unterschieden zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und dem „vereinten Deutschland“. Unterzeichnet ist dieser Vertrag auf deutscher Seite ausschließlich von Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Niemand unterzeichnete diesen Vertrag im Namen des „vereinten Deutschlands“. Niemand war als sein bevollmächtigter Vertreter benannt und handelte als solcher. Aber es wurden schwerwiegende Versprechen abgegeben, was dieses „vereinte Deutschland“ tun und lassen würde.
In der Tat ist die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere nach innen, sehr handlungsfähig – dank seiner zahlreichen, pflichtbewußten Verwaltungshumanoiden.
Auf Seite 5 des für alle Behörden in Mecklenburg-Vorpommern handlungsverbindlichen Schreibens – und ähnliche dürften an die Behörden in den anderen bundesdeutschen Ländern gegangen sein – wird dann noch einmal genauer auf das „besondere Band“ zwischen Staat und Bürger eingegangen:
„… daß die deutsche Staatsangehörigkeit ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat ist.“
Oh ja, so besonders wie das Verhältnis zwischen Gefängnisverwaltung und Gefängnisinsassen, denn:
„Der Staat legt fest, unter welchen Voraussetzungen dieses Rechtsverhältnis entsteht und endet. Es ist gerade kein Vertragsverhältnis, das einseitig beendet werden kann. Weder kann der Staat einem deutschen Staatsangehörigen die deutsche Staatsangehörigkeit einfach entziehen, noch kann ein deutscher Staatsangehöriger die deutsche Staatsangehörigkeit „zurückgeben“. Sowohl Erwerb als auch Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit treten nur auf gesetzlicher Grundlage ein.“
Wie praktisch ist es da doch, daß bundesdeutsche Gesetze in ausländischen Anwaltskanzleien formuliert und im Bundestag abgenickt werden können. ^^
„Aus dem Rechtsverhältnis folgt auch, daß nicht nur Rechte wahrzunehmen, sondern auch Pflichten zu erfüllen sind.“
Ein Recht, das nicht die Freiheit beinhaltet, es nicht wahrzunehmen, ist aber kein Recht, sondern eine Pflicht.
Wir halten fest:
1. Man hat als Deutscher keine Wahl, ob man dem Staat angehören möchte oder nicht.
2. Man kann die Staatsangehörigkeit nicht ablegen.
3. Man hat keinen Einfluß auf die Art der Rechte und Pflichten, die sich aus der Staatsangehörigkeit ergeben.
4. Man hat keinen Einfluß auf Form und Funktionsweise des Staates, dem man „angehört“.
Wie lautet noch mal gleich die von der Bundesrepublik Deutschland unterschriebene und als verbindlich anerkannte Definition von Leibeigenschaft?
„Leibeigenschaft, d. h. die Stellung einer Person, die durch Gesetz, Gewohnheitsrecht oder Vereinbarung verpflichtet ist, auf einem einer anderen Person gehörenden Grundstück zu leben und zu arbeiten und dieser Person bestimmte entgeltliche oder unentgeltliche Dienste zu leisten, ohne seine Stellung selbständig ändern zu können;
Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei …“
Die Personalkörperschaft Bundesrepublik Deutschland übt laut fortgeltendem Überleitungsvertrag von 1955 die Herrschaftsgewalt über das Territorium des „vereinten Deutschlands“ von 1990 aus, wie es im 2+4-Vertrag ausdrücklich und völkerrechtlich verbindlich definiert ist = Grundstück. Die deutschen Staatsangehörigen, die dieser Herrschaftsgewalt laut Grundgesetz und Überleitungsvertrag unterworfen sind, sind gesetzlich verpflichtet, der juristischen Person Bundesrepublik Deutschland bestimmte Dienste zu leisten. Sie können ihre Stellung nicht selbständig ändern, solange sie ihr Menschenrecht auf Verbleib in der Heimat wahrnehmen.
Aber Argumente interessieren in bundesdeutschen Körperschaften niemanden. Ein Schlüsselwort reicht, die Augen und Ohren der Verwaltungshumanoiden klappen zu und sie verfahren stur nach Anweisung: kurze schriftliche Reaktion auf konkrete Anträge, keine auf Proklamationen und Erklärungen, Bußgelder, Vollstreckung, Meldung an den Verfassungsschutz.
Was gilt die Wette, daß sie sich später rausreden werden: „Wir hatten doch keine Ahnung. Wir wußten von nichts, haben nur unsere Arbeit gemacht …“ ?
Jede Menge weiterer Fragen, Euer Ehren. Aber keine Zeit.