Sehr geehrte Frau XXXXX,
nein, ich sitze hier im Büro. Und opfere keine Freizeit.
Deshalb alles in Kürze:
Sie scheinen zu glauben (!), ich sei der Papst, wenn Sie anmerken „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich einer weiteren Antwort würdig betrachten würden.“
Mit Verlaub: Ich bin’s nicht, ich bin auch kein Staats- oder Verfassungsrechtspapst.
Was Herr Prof. Schweisfurth gemeint und gedacht hat – das müssen Sie ihn fragen. Für mich sind die Ausführungen ein Beleg dafür, dass es sehr schwierig ist, eine Sache rechtlich in den Griff zu bekommen, wenn schon
vorher alles verrannt ist.
Die Juristen (die Juristinnen auch) sprechen hier von einem Auseinanderfallen von Wirklichkeit und Rechtswirklichkeit.
Von einer anderen Seite an das Problem herangetreten: Staatsrecht dient im Regelfall dazu, Ansprüche zu legitimieren. Von hier aus kommt man dann zu einem fortbestehenden Deutschen Reich, meinetwegen als Völkerrechtssubjekt, das handlungsunfähig ist und teilidentisch mit der Bundesrepublik. Wie es sich mit einem handlungsunfähigen
Völkerrechtssubjekt verhält, wenn gleichzeitig Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik der UNO beitreten – das kann ich nicht erklären und würde hier, wie Sie, auf christliche Erklärungsversuche zurückgreifen, 3 in 1 oder so ähnlich. Das haben wir in unserem Aufsatz – nicht ganz ironiefrei – als Gemeinsamkeit der beiden deutschen Staaten festgestellt: Der Hang zur Surrealität.
Ich stimme Herrn Prof. Schweisfurth jedenfalls in seiner Schlussfolgerung zu: Das, was wir heute haben, ist Bundesrepublik Deutschland. Das steht zwar nicht vorne im Grundsgesetz, aber in Art. 20. Ob ich in einer „logischen Sekunde“ mutiert bin, möchte ich nicht wissen.
Ich stimme Ihnen nicht völlig zu, was die Frage der Rechtsnachfolge anbetrifft. Sie meinen, dass erst durch das Urteil des BVerfG die Subjektidentität mit teilidentischer Herrschaftsgewalt erhoben wurde. Ja, und vorher?
Ich verstehe das BVerfG schon so, dass mit dieser Theorie der Zustand seit 1949 beschrieben werden sollte.
Das Problem, dass das BVerfG hat, ist: Nachdem das Grundgesetz am 23.05.1949 verabschiedet wurde, ist am 7.10.1949 versehentlich die Gründung der DDR dazwischen geraten. Das passt nicht in die Konzeption des GG, dessen Präambel damals – sinngemäß – lautete, dass die Deutschen in den bundesdeutschen Ländern auch für jene Deutschen das
GG mitbeschlossen haben, die es nicht mitbeschließen konnten – wer das auch immer alles war. Die Bundesrepublik hat sich seit jeher als legitimer Staat „der Deutschen“ verstanden. Und: Nach dem bundesdeutschen Verständnis – vgl. Prof. Schweisfurth – war das Deutsche Reich ja nicht untergegangen. Hier sind wir wieder bei der Eingangsfeststellung mit der Rechtswirklichkeit: Die Alliierten gingen im August 1945 von einem Fortbestehen des Deutschen Reiches aus und einem baldigen Friedensvertrag.
Ich meine, dass mit der Konstituierung der beiden deutschen Staaten das Deutsche Reich untergegangen ist. Das GG 1949 und das BVerfG 1973 sahen das anders. Der Grund dafür war schlicht und einfach, den Anspruch auf Wiederherstellung des Reiches in den Grenzen von 1937 aufrecht zu erhalten.
Ihre Ausführungen zur Körperschaft kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen. Sie selbst gehen von einer Identität der Bundesrepublik vor dem 03.10.1990 und danach aus. Dann allerdings messen Sie dem Datum eine Bedeutung bei, dass nämlich die Körperschaft des öffentlichen Rechts als Gebietskörperschaft und eine Personalkörperschaft – darf ich sagen? – mutiert ist. Das passt nicht zur Identität.
Völkerrechtssubjekte sind solche Staaten, die von anderen Staaten anerkannt werden.
Ich denke, dass der Staat eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Das ist ein rechtlicher Begriff. Wenn Sie den anders definieren als ich, kommen zu einem anderen Ergebnis. Hier brauchen Sie die christliche Gedankenwelt nicht zu bemühen: Rechtswirklichkeit, das ist eine Frage, wie bestimmte Verhältnisse definiert werden und welche rechtliche
Qualität dem beigemessen wird.
Mit freundlichen Grüßen
XXXXX XXXXX, Justitiar