Archiv der Kategorie: Gedanken eines Menschen

Lektionen aus dem echten Leben 10

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Nach Wolke 7 kommt jetzt die Bewährungsprobe Alltag, und wie aus Lebenserfahrung zu erwarten war, schlagen nun auch die Schwächen der Liebenden mehr ins Kontor als bisher. Gewohnte Methoden der Stressbewältigung erweisen sich als nicht mehr praktikabel, weil wieder ein Gegenüber da ist, das man nicht ungerecht behandeln und verletzen möchte. Aber solange letzteres das Ziel ist, wird die Herausforderung gemeistert werden können.

Lektionen aus dem echten Leben 9

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Es wächst das Gefühl, sich befreien zu müssen von (fast) allem, was ich mir in den vergangenen 3-4 Jahren an Konstrukten zurechtgezimmert habe, bzw. von noch älteren Strukturen, die mich alle inzwischen viel zu viel belasten und einschränken und nicht das gebracht haben, was sie bringen sollten. Viel Verpflichtung und wenig sichtbarer Nutzen. Dann aber werde ich eine andere wirtschaftliche Lebensgrundlage brauchen – und ein effektives Schutzschild gegen den Machtapparat bleibt zwingend notwendig.

Eine bittere Lektion liegt darin, wie wenig man sich auf andere Menschen verlassen kann und wie schwer Ehrlichkeit es hat in einem Meer der Engstirnigkeit und Verlogenheit. Ich weiß, das war zu allen Zeiten so, und nicht wenige von uns sind daran zugrunde gegangen. Der Preis für die Unterstützung der Gemeinschaft ist Anpassung an ihre Lügen. Wer ihn nicht zahlen will, wird auf die Gemeinschaft verzichten und auf sich gestellt sehr, sehr stark sein müssen, denn wer nicht mitlügt, wird als Feind behandelt.

Vielleicht ist ein Mittelweg möglich. Das bleibt herauszufinden.

Lektionen aus dem echten Leben 6

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Wenn einem etwas Wichtiges im Leben fehlt, dann sucht man sich Ersatz der verschiedensten Art. Fast immer fehlt es an Liebe. Liebe ändert alles, sowohl wenn sie fehlt als auch wenn sie auftaucht. Fehlt sie, bekommen die skurrilsten Dinge überdimensionale Bedeutung. Ein großes emotionales Schwarzes Loch, das mit allem, was nur irgendwie greifbar ist, zu füllen versucht wird. Tritt die Liebe dann plötzlich auf, schrumpfen viele Dinge, die vorher die Welt zu bedeuten schienen, auf Staubkorngröße. Liebe macht alles einfach, weil sie der Welt ein Zentrum gibt, das nicht mehr das Ich oder das Du ist, sondern das Wir, ein zweipoliger Motor, der unerschöpflich Kraft gebiert.

Manchmal tritt einem das eigene Ich in Gestalt eines anderes Menschen entgegen. Die Liebe dieses Anderen reflektiert dann die Liebe, die man für sich selbst empfindet und mit Hilfe derer nur man bisher seelisch überlebt hat. Das ist wohl das tiefstmögliche gegenseitige Erkennen. Der Verlust dieses Anderen fühlt sich dann an wie der Verlust der eigenen Identität. Der Verlust des Vertrauens in den Anderen ginge mit dem Verlust des eigenen Selbstvertrauens einher. Es  bedeutet lebensgefährliches Risiko, eine so tiefe Liebe zuzulassen. Aber Liebe, Schmerz und Gefahr lassen einen überhaupt erst merken, dass man lebt. Wer das nicht wenigstens einmal im Leben erfährt, hat nicht tatsächlich gelebt.

Prioritäten

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Ich mag mein Leben, so wie es jetzt ist. Kein einziges Element daraus möchte ich missen. Meine einzige Beschwerde ist, dass es mir nicht schnell genug geht mit dem, was ich tue. Ja, es ist viel. Von außen könnte man denken, zu viel. Ich springe zwischen den verschiedenen Baustellen hin und her, habe endlos lange To-do-Listen, muss dauernd Prioritäten setzen. Nicht immer gefällt anderen Leuten, die mit mir zu tun haben, wie ich diese Prioritäten setze. Manch einer wünscht sich, ich würde seine Bedürfnisse mehr berücksichtigen. Geht nicht.

Hier meine Prioritäten:

  1. Ich. Ich muss funktionieren, darf mich deshalb nicht zu sehr unter Stress setzen, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Einen gewissen Stress brauche ich zwar, um motiviert zu bleiben. Beim Rest wird aber gnadenlos gestrichen und verschoben.
  2. Meine Tochter, mein Mann, mein Sohn, meine Enkel. Für sie bin ich sofort da, wenn sie mich persönlich brauchen. Außerdem auch für die ältere Generation meiner Familie, wenn es akut wird.
  3. Meine Tiere. Ich möchte keines missen.
  4. Das kleine Unternehmen, der unsere solide Lebensgrundlage hier im Ort werden soll und sich gut entwickelt.
  5. Dann erst meine Freunde. Sorry. Sie sind alle erwachsen und haben sich ihr Leben eingerichtet wie ich mir meines. Ich bin nicht dafür zuständig, dass ihr Leben mit meinem kompatibel ist. Ich bin für sie da, soweit ich Kapazitäten frei habe. Aber ich werde meine Lebensweise nicht nach ihren Bedürfnissen ausrichten, und emotional erpressen lasse ich mich auch nicht mehr.

Und nun zurück in den Trubel.

Lektionen aus dem echten Leben 5

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Es ist bedrückend, wie normal es anscheinend ist, einander zu belügen. Erneut erlebe ich die Enttäuschung, dass sich etwas, was ich jemandem geglaubt habe, als vorsätzliche Lüge herausstellt. Es macht mich todtraurig, dass wieder jemand, den ich geschätzt habe, sich als unehrlich erweist. Andererseits ist es erstaunlich, wie ich fast fünfzig Jahre alt werden konnte, ohne das Urvertrauen in die generelle Aufrichtigkeit der Menschen zu verlieren. Oder das erstaunlich weit verbreitete, enorme Schauspieltalent um mich her zu erkennen.

Erst verlor ich den Glauben an den Staat, dann verlor ich den Glauben an die Menschen. Was bleibt? Der Rest.

Bin ich Sufi?

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„The wise, whatever their faith, have always been able to meet each other beyond those boundaries of external forms and conventions, which are natural and necessary to human life, but which none the less separate humanity. … Mystical ideas are unintelligible to the generality of people. The mystics have, therefore, usually imparted their ideas to a chosen few only, to those whom they could trust, who were ready for initiation and discipleship.

… indeed, Jesus is said to stand, in a sense, at the head of the Sufis.

To be „in the world, but not of it,“ free from ambition, greed, intellectual pride, blind obedience to custom, or awe of persons higher in rank—that is the Sufi’s ideal.“

Übersetzung:
Die Weisen waren unabhängig von ihrem Glauben immer in der Lage, einander über diese Grenzen äußerer Formen und Konventionen hinweg zu begegnen. Diese Grenzen sind natürlichen Ursprungs und für das menschliche Leben unverzichtbar – nichtsdestotrotz spalten sie die Menschheit. … Mystische Ideen sind der Mehrheit der Leute unverständlich. Deshalb haben die Mystiker ihre Ideen nur einigen wenigen Auserwählten mitgeteilt, denen sie trauen konnten und die bereit waren für Weihen und Jüngerschaft.

… in der Tat wird von Jesus gesagt, er sei in gewissem Sinne der höchste aller Sufis gwesen.

„In dieser Welt, aber nicht von ihr“ zu sein, frei von Ehrgeiz, Gier, Geistesdünkel, blinder Sittentreue oder Obrigkeitsscheu – das ist das Ideal des Sufi.“

http://sufiway.org/about-us/the-origins-of-sufism

Lektionen aus dem echten Leben 2

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Vermutlich sind die Menschen überall so. Die Mehrheit jedenfalls. Vermutlich bin ich geistig und charakterlich generell ein Alien, wie ich es eigentlich von Kindheit an war (aber ich dachte immer, das habe andere Gründe gehabt). Wie meine Tochter es ist, der ich die Klarheit und Ehrlichkeit im Umgang mit sich selbst und der Welt weitergeben konnte und die schon jetzt auf Altersgenossen wie Ältere mit ungläubigem Staunen schaut. Dass man sich so kindisch und unreif verhalten kann. Und auf die Altersgenossen und Ältere ihrerseits mit ungläubigem Staunen schauen, wie man so selbstdispipliniert und willensstark sein kann, so reif und selbständig. In dem Alter schon.

Ich habe es nur früher nicht so gemerkt, weil ich nirgends sozial eingebunden war, jedenfalls nicht dauerhaft. Wenn es nicht mehr funzte, ließ ich es eben hinter mir. Das konnte und kann ich noch immer sehr gut. Es gibt eine Phase der Entscheidungsfindung, die wehtut, ein scharfer Schnitt, und dann: vorbei, verweht, nie wieder. Vorwärts geht’s, den Blick zum Horizont. Es kommt immer was Neues, das Leben geht weiter. Aus den Augen, aus dem Sinn. Leben ohne Rücksicht, wenn man es genau nimmt. Jetzt muss ich Rücksicht nehmen, denn ich geh diesmal nicht wieder weg. Der Horizont ist hier. Dies ist der Mittelpunkt meines Wesens. Hier mache ich am meisten Sinn. Hier zu leben wie bisher führt zur Einsamkeit, weil man sich früher oder später mit allen verkracht. Weil man so hart zu anderen ist wie zu sich selbst. Das ertragen sie nicht. Ehrlichkeit verstehen sie hier nicht. Ehrlichkeit ist immer Angriff auf all die uneingestandenen Lebenslügen, aus denen sie hier gemeinschaftlich ihre kleine Welt bauen und in denen sie sich gegenseitig bestärken, um sich Wohlwollen zu erkaufen. Ein ehrlicher Mensch ist hier immer ein Gefährder. Dazu braucht es gar keine staatsrechtlichen Grundsatzfragen, da reicht das ganz alltägliche nachbarschaftliche und lokalpolitische Miteinander. Eine Stadt voller unglücklicher Leute, die ihr Leben nur mit Lügen ertragen können und Wahrheit füreinander geflissentlich ignorieren, wenn es ihnen nutzt. Unabgesprochen, in stillem Einverständnis, in vorauseilendem Gehorsam zwecks persönlicher Interessensicherung. Hochinteressante Szenen lassen sich da beobachten. Der Jeht-ma-nüscht-an-Antrieb („somebody else’s  problem drive“) eines Douglas Adams muss in einer solchen Kleinstadt erfunden worden sein. Entweder der oder sonst Baron von Münchhausen mit Gehässigkeitssoße. Wahrheit ist die einzige, die fehlt …

Hier kann man wohl nur tun, was ich schon vor zwanzig Jahren instinktiv hier tun wollte: Die andere Party sein, die coolere, die spannendere, die ehrlichere. Die Sitten ändern, indem man anders ist und bleibt und für jene wenigen, die hier damit etwas anfangen können, ein Andockpunkt wird. Damit sie einen Grund haben, hierzubleiben und mitzuändern, was sie unerträglich finden. Cluster bilden. Das Gute und Schöne pflegen, Ehrlichkeit belohnen, Verlogenheit ahnden. Der rechtlich-politische Aspekt versinkt fast in Bedeutungslosigkeit angesichts der Aufgabe, generell aufrichtigen Umgang miteinander und mit der Welt zu lehren.

Lektionen aus dem echten Leben 1

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Es hat sich als unvorteilhaft erwiesen, mit „normalen“ Leuten aus dem näheren kleinstädtischen Umfeld per Facebook zu kommunizieren. Es hat sich überhaupt als immer wieder erschreckend herausgestellt, sich näher auf sie einzulassen. Die herrschende Art und Weise, mit Wahrheiten, ja, mit banaler Alltagsrealität umzugehen, ist höchst befremdlich. Die persönliche Wahrnehmung ist hier meist nichts als ein Instrument, um sich die Welt so zurechtzubiegen, dass sie einen am wenigsten mit eigenen Schwächen, Fehlleistungen und Unzulänglichkeiten konfrontiert. Eine Riesenherde schizophrener Projektionsprofis. Wie geht man als skrupellos reflektierender und sich systematisch weiterentwickelnder Mensch mit so einem Umfeld um, das alles verdrängt, verleugnet und verleumdet, sobald es am schönstmöglichen Schein kratzt? Redet man ihnen wohlfeil nach dem Munde, damit sie nicht bösartig werden? Behandelt man sie wie Irre, die man nicht reizen darf, indem man ihre Traumwelt in Frage stellt? Ist das überall so? Sind die Menschen überall irre? Oder ist irre, wer ihr Spiel nicht mitspielt, sondern auf seiner eigenen Wahrnehmung besteht und danach handelt?

Im selben Boot?

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Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel anders setzen. Dieser Spruch von Aristoteles ist wohl überliefert.

Das ist ein guter Spruch. Stellt sich nur die Frage, in welchem Schiff man sitzt und ob man drinnen sitzen bleiben muß? Und ob man gezwungen werden kann, drinnen sitzen zu bleiben?

Jeder Mensch ist ein Schiff. Vom Einzelnen über Gemeinschaften aller Größen bis hin zur gesamten Menschheit. Aus dem Menschheitsschiff kommen wir nicht raus, nur über den Tod. Das Schiff, in dem wir unbedingt drinnen bleiben müssen, ist Lies den Rest dieses Beitrags