Meister Staatsschuldenlüge hat mich wieder zu einer wichtigen Überlegung inspiriert. Es stellte sich die Frage, woraus sich Souveränität ergibt. Herkömmlicherweise gilt ja als Souverän, wer sich keines anderen Menschen Willen beugen muss und frei entscheiden kann, was er tut und was er läßt.
Wohin aber geht die Souveränität, wenn jemand anderen Menschen ihre Souveränität, ihre Entscheidungsfreiheit nimmt, indem er sie mit Gewalt zwingt zu tun, was er will? Ist die Souveränität dann beim Herrscher?
Ich würde sagen, sie ist so lange bei ihm, wie die von ihm Beherrschten zufrieden sind mit ihrer Situation. Dann haben die Beherrschten genug Vorteile (z.B. Versorgung, Rechtssicherheit, Schutz), die den Nachteil der verlorenen Entscheidungsfreiheit (z.B. Steuern und Abgaben, Bevormundung) ausgleichen.
Der Herrscher verliert aber seine Souveränität, sobald er auf eine Art und Weise herrscht, bei welcher die Beherrschten Unausgeglichenheit empfinden. Wenn er weitaus mehr nimmt als er gibt, wenn er nicht mehr schützt, sondern selbst als größte Bedrohung für die Beherrschten wahrgenommen wird, dann werden sich die Berrschten eines Tages gegen ihn wenden, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Er hat ihnen viel mehr genommen als er gegeben hat, also werden sie ihm nehmen, was er ihnen schuldig geblieben ist. Je mehr er ihnen schadet, desto mehr werden sie ihm schaden.
Unrecht ist potentielle Energie. Je größer das Unrecht, desto größer die potentielle Energie, die eines Tages in kinetische Energie, in Aktion explodieren muß.
Recht ist Rückführung einer Tat an ihren Ausgangspunkt, die Auflösung kinetischer Energie mit entgegengesetzt wirkender kinetischer Energie, so daß keine potentielle Energie übrigbleibt.
Wer Macht beansprucht und gegen das Rechtsgefühl der Menschen mit Gewalt durchsetzt, der ist kein Souverän. Je mehr Unrecht er aufhäuft, desto weniger kann er frei entscheiden, denn desto mehr Gefahr droht ihm von jenen, denen er schadet. Desto mehr ist er im Zwang, noch mehr Gewalt anzuwenden. Auf dem Weg der Gewalt gibt es kein Zurück.
Deswegen muß jede Organisation, der Menschen Entscheidungsfreiheit übertragen, früher oder später zur Machtmaschine pervertieren. Denn einmal geschaffen, ist sie eine Wesensform, ein Etwas. Jedes Etwas ist an seinem Erhalt interessiert. Das Dasein ist Sinn und Zweck allen Daseins. Deshalb wird nichts, was da ist, sein Dasein ohne äußeren Zwang beenden. Alles, was einmal da ist, muß wachsen, erblühen, reifen und schließlich absterben. Auch Organisationen.
Wenn Menschen einen Staat gründen, muß dieser ebenso unausweichlich wachsen wie noch das kleinste biologische Lebewesen. Wenn jemand Macht beansprucht, muß er immer mehr Macht beanspruchen. Das ist universelles Gesetz. Nichts bleibt, wie es ist. Alles entsteht, dehnt sich aus und vergeht wieder. So atmet das Universum, könnte man sagen.
Zurück zur Ausgangsfrage: Wer ist Souverän? Souverän ist, wer im Gleichgewicht aus Geben und Nehmen mit seiner Umwelt existiert. Ohne Angst, ohne Gewalt, ohne Unterwerfung. Sondern mit Respekt, Rücksicht und Selbstachtung.
Macht macht nicht souverän. Macht macht nur energetische Schulden.
Selbstbeherrschung, und ausschließlich Selbstbeherrschung macht Souveräne. Selbstbeherrschung beinhaltet als wesentlichen Bestandteil die Selbstversorgung. Versorgung ist Verantwortung. Selbstversorgung ist Selbstverantwortung.
Wer sich nicht selbst versorgen kann, der kann kein Souverän sein.
Sie lasen das Wort zum Sonntag. ^^