Es scheint das „moderne Wesen“ eines Staates zu sein, sowohl unternehmerisch als auch hoheitlich tätig sein zu können.
Es wird ja in das Urteil des IGH vom 03.02.2012 Germany ./. Italy gern viel hineininterpretiert, was gar nicht drin steht. Z.B., die BRD sei Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Die Stelle im Urteil, die das aussagt, habe ich bisher nicht gefunden. Was ich aber gefunden habe, ist das:
„119. It is clear in the present case that the property which was the subject of the measure of constraint at issue is being used for governmental purposes that are entirely non-commercial, and hence for purposes falling within Germany’s sovereign functions.“
Übersetzung: „Im vorliegenden Fall ist klar, daß die von der strittigen Zwangsmaßnahme gegenständlich betroffene Immobilie für ausnahmslos nichtkommerzielle Regierungszwecke genutzt wird, und somit für Zwecke, die den deutschen Hoheitsfunktionen zuzuordnen sind.“
Klingt jetzt nicht so wahnsinnig spektakulär, ich weiß. Man muß aber mal hinschauen, was impliziert wird mit dieser Aussage in einer Urteilsbegründung des Internationalen Gerichtshofes – man mag von ihm halten, was man will.
1. Es handelt sich um eine Gerichtsentscheidung auf allerhöchster internationaler Ebene.
2. Es wird ganz selbstverständlich auf höchster internationaler Ebene davon ausgegangen, daß Staaten handelsrechtlich tätig sind, indem darauf hingewiesen wird, die betroffene Immobilie in Italien sei von der Bundesrepublik Deutschland (welche im Urteil ausdrücklich mit Germany gemeint ist) für nichtkommerzielle und daher eben für hoheitliche Zwecke genutzt worden. Das impliziert den internationalen Standard, Staaten verfolgten wahlweise handelsrechtliche oder hoheitliche Zwecke mit ihren Aktivitäten, können aber auf jeden Fall beides.
3. Kein „echter“ Staat betätigt sich in irgendeiner Weise kommerziell. Er ordnet und schützt, fertig. Zu nichts anderem ist er aus Sicht der Menschen da. Nur die Staatshybriden namens Körperschaften des öffentlichen Rechts können sowohl hoheitlich als auch handelsrechtlich agieren. Wenn also auf allerhöchster Ebene davon ausgegangen wird, daß Staaten grundsätzlich diese beiden Optionen haben, dann heißt das, daß „moderne“ Staaten grundsätzlich Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
Das erklärt einmal mehr Schäubles herablassende Bemerkung über das „veraltete Modell der Nationalstaaten“ bei seiner berühmt-berüchtigten Rede vor Bankern 2011. Wörtlich sagte er damals:
„Das (Regelungsmonopol des Nationalstaats) war die alte Ordnung, die dem Völkerrecht noch zugrundeliegt – mit dem Begriff der Souveränität, die in Europa längst ad absurdum geführt worden ist.“
Wieder so ein Aha-Moment: Wenn die alte Ordnung der Nationalstaaten dem Völkerrecht „noch“ zugrundeliegt, die alte Ordnung aber gar nicht mehr gilt, weil es keine Nationalstaaten, sondern nur noch halbhandelsrechtliche Nationalstaatshybriden mit Territorialstaatsmerkmalen gibt – dann hat das Völkerrecht gar keine Grundlage mehr!
Wenn das Völkerrecht nicht mehr gilt, weil alle „Staaten“ inzwischen handelsrechtliche Interessen verfolgen und ihre Bevölkerungen systematisch als Anleihensicherheit für ihre Machtinteressen verpfänden wie der hinterletzte Feudalherr – dann brauchen wir uns nicht mehr zu wundern, wieso international nur (noch?) das Recht des Stärkeren gilt.
Alles nur noch Makulatur, einschließlich Haager Landkriegsordnung. Die kann erst wieder gelten, wenn Staaten wieder ausschließlich hoheitlich und machtpolitisch, aber nicht mehr als Händler unterwegs sind.
Damit hier kein Streit aufkommt und es das Urteil offiziell leider nicht in Deutscher Sprache gibt, habe ich mir mal für Euch die Mühe gemacht:
Ich für mein Teil meine, dass durch das Urteil eins bestätigt wird, die BRD nicht kein Rechtsnachfolger des DEUTSCHEN REICHS!
Aber lest bitte selbst:
3. FEBRUAR 2012
Urteil
Gerichtliche IMMUNITÄTEN des STaates (deutschland ./. Italien, Nebenintervenient Griechenland)
Inhalt
CHRONOLOGIE DES VERFAHRENS
I. HISTORISCHER UND FAKTISCHER HINTERGRUND………………………………. 15
1. Der Friedensvertrag von 1947………………………………………………………………….. 15
2. Das Bundesentschädigungsgesetz aus dem Jahre 1953…………………………………… 16
3. Die Verträge von 1961……………………………………………………………………………. 16
4. Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“…….. 17
5. Verfahren vor italienischen Gerichten………………………………………………………….. 18
A. Fälle mit Beteiligung italienischer Staatsangehöriger………………………………………. 18
B. Fälle mit Beteiligung griechischer Staatsangehöriger……………………………………… 19
II. Gegenstand des Rechtsstreits und Zuständigkeit des Gerichtshofs……………………….. 21
III. Angebliche Verletzung der gerichtlichen Immunität Deutschlands in durch die italienischen Kläger eingeleiteten Verfahren………………………………………………………………………………………………………………….. 25
1. Die Streitfragen vor dem Gerichtshof………………………………………………………….. 25
2. Italiens erstes Argument: Gebietsbezogene Deliktsausnahme…………………………… 30
3. Italiens zweites Argument: der Gegenstand und die Umstände der Klagen vor italienischen Gerichten 38
A. Die Schwere der Verletzungen…………………………………………………………………. 39
B. Das Verhältnis zwischen jus cogens und der Regel der Staatenimmunität………….. 42
C. Das Argument der „letzten Instanz“……………………………………………………………. 45
D. Die kombinierte Wirkung der von Italien geltend gemachten Umstände…………….. 47
4. Schlussfolgerungen…………………………………………………………………………………. 47
IV. Gegen auf italienischem Hoheitsgebiet gelegenes deutsche Eigentum ergriffene Zwangsmaßnahmen 48
V. Die Entscheidungen italienischer Gerichte, mit denen Entscheidungen griechISCHer Gerichte, die ZIVILRECHTLICHEN Klagen gegen Deutschland stattgegeben haben, für in italien vollstreckbar erklärt wurden 51
VI. Deutschlands SCHLUSSANTRÄGE und eingelegte Rechtsbehelfe…………………… 55
Rechtswirksamkeitsklausel
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INTERNATIONALER GERICHTSHOF
JAHR 2012
2012
3. Februar
Gesamtliste
Nr. 143
3. Februar 2012
Gerichtliche IMMUNITÄTEN des STaates (deutschland ./. Italien: Nebenintervenient Griechenland)
Historischer und faktischer Hintergrund.
Friedensvertrag von 1947 – Bundesentschädigungsgesetz von 1953 – Verträge von 1961 – Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ – Verfahren vor italienischen Gerichten – Fälle mit Beteiligung italienischer Staatsangehöriger – Fälle mit Beteiligung griechischer Staatsangehöriger.
Gegenstand des Rechtsstreits und Zuständigkeit des Gerichtshofs
Gegenstand des Rechtsstreits durch Klagen Deutschlands und Italiens begrenzt – Kein Widerspruch Italiens gegen Zuständigkeit des Gerichtshofs oder Zulässigkeit des Antrags – Artikel 1 des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten als Grundlage der Zuständigkeit – Einschränkung ratione temporis nicht anwendbar – Gerichtshof ist zuständig – Gerichtshof muss nicht über Reparationsfragen entscheiden – Beziehung zwischen Reparationspflicht und Staatenimmunität – Keine weiteren Fragen bezüglich der Zuständigkeit des Gerichtshofs.
*
Angebliche Verletzungen der gerichtlichen Immunität Deutschlands in durch italienische Kläger eingeleiteten Verfahren.
Dem Gerichthof vorgelegte Fragen – Ursprünge der Verfahren vor italienischen Gerichten – Existenz einer Regel im Völkergewohnheitsrecht, die Staaten Immunität verleiht – Quellen der Staatenpraxis und opinio juris – Staatenpraxis und opinio juris erkennen generell Staatenimmunität an – Regel der Staatenimmunität leitet sich aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten ab – Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen relevanten Handlungen Deutschlands und Italiens – Verfahrensrechtliche Natur des Immunitätsrechts – Gerichtshof muss Recht der Staatenimmunität in der Form prüfen und anwenden, in der es zur Zeit der italienischen Verfahren Gültigkeit hatte – Acta jure gestionis und acta jure imperii – Handlungen der Streitkräfte des Deutschen Reichs waren acta jure imperii – Staatenimmunität bezüglich acta jure imperii – Behauptung Italiens, dass Deutschland keine Immunität in Bezug auf Fälle vor italienischen Gerichten zustehe.
Erstes Argument Italiens: Grundsatz gebietsfremder Delikte – Handlungen, die auf dem Hoheitsgebiet des Forumstaates durch Streitkräfte eines fremden Staates während der Führung bewaffneter Konflikte begangen werden – Artikel 11 des Europäischen Übereinkommens zur Staatenimmunität – Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit – Staatenpraxis: nationale Gesetzgebung und Urteile nationaler Gerichte – Staatenimmunität für acta jure imperii umfasst Zivilverfahren für Handlungen, die zu Tod, Personen- oder Sachschäden führen und von Streitkräften bei der Führung eines bewaffneten Konflikts begangen werden – Opinio juris – Fehlen abweichender Rechtslehre oder abweichender Erklärungen von Staaten – Entscheidungen italienischer Gerichte können nicht mit Grundsatz gebietsfremder Delikte gerechtfertigt werden.
Italiens zweites Argument: Gegenstand und Umstände der Klagen vor italienischen Gerichten – Schwere der Verletzungen – Behauptung, dass Völkerrecht einem Staat keine Immunität bei schweren Verletzungen des Kriegsrechts einräume – Nationale Gerichte müssen Anspruch auf Immunität vor Verhandlung in der Sache feststellen – Keine Staatenpraxis zur Unterstützung der These, dass ein Staat seine Immunität in Fällen schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verliert – Keine der Thesen wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptiert – Der Staat verliert seine Immunität nicht, weil er schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht angeklagt wird.
Beziehung zwischen jus cogens und Regel der Staatenimmunität – Angeblicher Konflikt zwischen jus cogens-Regel und Immunität Deutschlands – Kein Konflikt zwischen jus cogens und Immunität eines Staates – Argument, dass jus cogens anstelle von Staatenimmunität tritt wurde von nationalen Gerichten abgewiesen – Staatenimmunität wird durch Verletzungen von jus cogens nicht betroffen.
Argument des „letzten Rechtsmittels“ – Behauptung, dass Weigerung italienischer Gerichte Deutschland Immunität zu gewähren gerechtfertigt gewesen sei, da alle anderen Versuche an Schadenersatz zu gelangen, fehlgeschlagen seien – Staatenimmunität hängt nicht von Verfügbarkeit effektiver alternativer Rechtsbehelfe ab – Italiens Argument verworfen – Weitere Verhandlungen zwischen Deutschland und Italien.
Kombinierte Wirkung der von Italien angeführten Umstände – Keiner der drei Argumentationsstränge rechtfertigt die Handlung italienischer Gerichte – Keine Wirkung in Kombination – Staatenpraxis – Abwägen unterschiedlicher Faktoren würde Natur der Staatenimmunität missachten – Immunität darf nicht vom Ergebnis der Abwägung durch ein nationales Gericht abhängig sein.
Handlungen italienischer Gerichte, mit denen Deutschland die Immunität verweigert wurde, stellen Verletzung der von Italien Deutschland gegenüber geschuldeten Verpflichtungen dar – Keine Notwendigkeit, sonstige von den Parteien vorgebrachte Fragen zu klären.
*
Gegen auf italienischem Hoheitsgebiet gelegenes Vermögen des deutschen Staates ergriffene Zwangsmaßnahmen.
Hypothek auf Villa Vigoni – Fragliche Hypothek durch Italien ausgesetzt, um Verfahren vor dem Gerichtshof Rechnung zu tragen – Unterscheidung zwischen Regeln des Völkergewohnheitsrechts bezüglich der Immunität gegen Vollstreckung und bezüglich gerichtlicher Immunität – Keine Notwendigkeit festzustellen, ob durch Entscheidungen griechischer Gerichte, mit denen Deutschland monetärer Schadenersatz auferlegt wurde, die gerichtliche Immunität des Staates verletzt wurde – Artikel 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit – Das einer Zwangsmaßnahme unterworfene Vermögen wird für nicht gewerbliche hoheitliche Zwecke verwendet – Deutschland hat der Verhängung der fraglichen Zwangshypothek weder zugestimmt, noch die Villa Vigoni zur Befriedigung von Rechtsansprüchen bereitgestellt – Eintragung der Zwangshypothek auf die Villa Vigoni stellt eine Verletzung der Verpflichtung zur Beachtung der Deutschland geschuldeten Immunität durch Italien dar.
*
Entscheidungen italienischer Gerichte, mit denen Entscheidungen griechischer Gerichte, die zivilrechtlichen Klagen gegen Deutschland stattgegeben haben, in Italien vollstreckbar erklärt werden.
Deutschlands Behauptung, dass seine gerichtliche Immunität durch diese Entscheidungen verletzt werde – Antrag auf Exequatur – Wurde die Immunität Deutschlands gegen Gerichtsbarkeit bei der Zulassung des Exequatur-Antrags durch die italienischen Gerichte beachtet – Zweck des Exequatur-Verfahrens – Das Exequatur-Verfahren muss als gegen den Staat gerichtet anerkannt werden, der Gegenstand des ausländischen Urteils war – Frage der Immunität ist vor Prüfung des Exequatur-Antrags zu prüfen – Keine Notwendigkeit darüber zu entscheiden, ob die Immunität Deutschlands durch griechische Gerichte verletzt wurde – Entscheidungen des Berufungsgerichts Florenz stellen eine Verletzung der Verpflichtung zur Beachtung der gerichtlichen Immunität Deutschlands durch Italien dar.
*
Schlussanträge Deutschlands und eingelegte Rechtsbehelfe.
Die ersten sechs dem Gerichtshof durch Deutschland vorgelegten Anträge – Zulassung der ersten drei Anträge – Verletzung der gerichtlichen Immunität Deutschlands durch Italien – Vierter Antrag – Ersuchen um Erklärung, dass die internationale Verantwortung Italiens betroffen ist – Keine Notwendigkeit einer ausdrücklichen Erklärung – Verantwortung leitet sich automatisch aus der Feststellung ab, dass bestimmte Verpflichtungen verletzt wurden – Vierter Antrag nicht angenommen – Fünfter Antrag – Antrag nach dem Italien Maßnahmen eigener Wahl ergreifen und alle Schritte unternehmen soll, um sicherzustellen, dass alle Entscheidungen seiner Gerichte und anderer Justizbehörden, mit denen die staatliche Immunität Deutschlands verletzt wird, außer Kraft gesetzt werden – Fünftem Antrag stattgegeben – Ergebnis ist durch Erlassen der entsprechenden Gesetzgebung oder sonstige Methoden mit gleicher Wirkung zu erreichen – Sechster Antrag – Antrag nach dem Italien die Abgabe von Versicherungen der Nichtwiederholung auferlegt werden soll – Kein Grund zu der Annahme, dass ein Staat, dessen Verhalten durch den Gerichtshof für unrecht erklärt wurde, dieses Verhalten in Zukunft fortsetzt – Keine Umstände, die Versicherungen der Nichtwiederholung rechtfertigen – Sechstem Antrag nicht stattgegeben.
URTEIL
Anwesend: Präsident OWADA, Vizepräsident TOMKA, Richter KOROMA, SIMMA, ABRAHAM, KEITH, SEPÚLVEDA-AMOR, BENNOUNA, SKOTNIKOV, CANÇADO TRINDADE, YUSUF, GREENWOOD, XUE, DONOGHUE, ad hoc-Richter GAJA; Kanzler COUVREUR.
In Sachen gerichtliche Immunität des Staates
zwischen
der Bundesrepublik Deutschland
vertreten durch
Ihre Exzellenz, Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Susanne Wasum-Rainer, Leiterin der Rechtsabteilung und Rechtsberaterin, Auswärtiges Amt,
Seine Exzellenz, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Königreich der Niederlande, Herr Heinz-Peter Behr,
Herrn Christian Tomuschat, ehemaliges Mitglied und Vorsitzender der Völkerrechtskommission, emeritierter Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Humboldt-Universität Berlin
als Prozessvertreter;
Herr Andrea Gattini, Professor für Internationales Öffentliches Recht an der Universität Padua,
Herr Robert Kolb, Professor für Internationales Öffentliches Recht an der Universität Genf,
als Rechtsbeistände und Anwälte;
Herr Guido Hildner, Leiter des Referats Allgemeines Völkerrecht, Auswärtiges Amt,
Herr Götz Schmidt-Bremme, Leiter des Referats Internationales Zivilrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht und Steuerrecht, Auswärtiges Amt,
Herr Felix Neumann, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Königreich der Niederlande,
Herr Gregor Schotten, Auswärtiges Amt,
Herr Klaus Keller, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Königreich der Niederlande,
Frau Susanne Achilles, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Königreich der Niederlande,
Frau Donate Arz von Straussenburg, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im Königreich der Niederlande,
als Rechtsberater;
Frau Fiona Kaltenborn,
als wissenschaftliche Mitarbeiterin;
und
der Italienischen Republik,
vertreten durch
Seine Exzellenz, Botschafter und Staatsrat, Herr Paolo Pucci die Benisichi,
als Prozessvertreter;
Herrn Giacomo Aiello, Staatsanwalt,
Seine Exzellenz, Botschafter der Italienischen Republik im Königreich der Niederlande, Herr Franco Giordano;
als Mitprozessvertreter;
Herr Luigi Condorelli, Professor für Völkerrecht, Universität Florenz,
Herr Pierre-Marie Dupuy, Professor für Völkerrecht, Graduate Institute of International and Development Studies, Genf, und Universität Paris II (Panthéon-Assas),
Herr Paolo Palchetti, Privatdozent für Völkerrecht, Universität Macerata,
Herr Salvatore Zappalà, Professor für Völkerrecht, Universität Catania, Rechtsberater, Ständige Vertretung Italiens bei den Vereinten Nationen,
als Rechtsbeistände und Anwälte;
Herr Giorgio Marrapodi, Gesandter, Leiter der Rechtsabteilung, Außenministerium,
Herr Guido Cerboni, Gesandter, Koordinator der Länder Zentral- und Westeuropas, Generaldirektorat der Europäischen Union, Außenministerium,
Herr Roberto Bellelli, Rechtsberater, Italienische Botschaft im Königreich der Niederlande,
Frau Sarah Negro, Erste Sekretärin, Italienische Botschaft im Königreich der Niederlande,
Herr Mel Marquis, Professor der Rechtswissenschaft, Europäisches Hochschulinstitut, Florenz,
Frau Francesca De Vittor, Universitätsassistentin Völkerrecht, Universität Macerata,
als Berater;
zusammen mit dem in diesem Fall als Nebenintervenient zugelassenen Staat
Hellenische Republik,
vertreten durch
Herrn Stelios Perrakis, Professor für Internationale und Europäische Einrichtungen, Panteion-Universität Athen,
als Prozessvertreter;
Seine Exzellenz, Botschafter der Hellenischen Republik im Königreich der Niederlande, Herr Ioannis Economides,
als stellvertretender Prozessvertreter;,
Herrn Antonis Bredimas, Professor für Völkerrecht, Nationale und Kapodistrias-Universität Athen,
als Rechtsbeistand und Anwalt;
Frau Maria-Daniella Marouda, Dozentin für Völkerrecht, Panteion-Universität Athen,
als Beraterin;
Der Gerichtshof,
in seiner obigen Zusammensetzung,
verkündet nach eingehender Beratung,
das folgende Urteil:
4. Schlussfolgerungen
107. Der Gerichtshof vertritt daher die Auffassung, dass das Vorgehen der italienischen Gerichte, Deutschland die Immunität zu verweigern, auf die es nach der Entscheidung des Gerichtshofs gemäß dem Völkergewohnheitsrecht Anspruch hatte, eine Verletzung der durch den italienischen Staat gegenüber Deutschland geschuldeten Verpflichtungen darstellt.
108. Daher erübrigt es sich für den Gerichtshof, eine Reihe von Fragen zu prüfen, die von den Parteien bereits ausführlich erörtert wurden. Insbesondere ist der Gerichtshof nicht gehalten darüber zu entscheiden, ob, wie Italien anführt, das Völkerrecht einem individuellen Opfer einer Verletzung des Kriegsvölkerrechts ein unmittelbar vollstreckbares Recht auf Forderung einer Entschädigung verleiht. Auch muss nicht, wie Deutschland anführt, darüber entschieden werden, ob Artikel 77, Absatz 4 des Friedensvertrags oder die Bestimmungen der Verträge von 1961 einen verbindlichen Verzicht auf Ansprüche darstellen, die Gegenstand der italienischen Verfahren sind. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass es sich hier um minder wichtige Fragen handelt, sondern nur, dass eine Entscheidung darüber nicht im Rahmen des vorliegenden Falls zu treffen ist. Die Frage, ob Deutschland noch gegenüber Italien oder italienischen Einzelpersonen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des Zweitens Weltkriegs verübt wurden, verantwortlich ist, berührt nicht die Frage des deutschen Anspruchs auf Immunität. Entsprechend hat auch die Entscheidung des Gerichtshofs zur Frage der Immunität keinen Einfluss darauf, welche Verantwortlichkeit Deutschland eventuell trifft.
IV. Gegen auf italienischem Hoheitsgebiet gelegenes deutsche Eigentum ergriffene Zwangsmaßnahmen
109. Auf Grundlage einer Entscheidung des Berufungsgerichts Florenz vom 13. Juni 2006, mit der in Italien das Urteil des Erstinstanzlichen Gerichts von Livadia, Griechenland, für vollstreckbar erklärt wurde, nach dem Deutschland zur Zahlung einer Entschädigung an bestimmte griechische Kläger verurteilt worden war, ließen diese Kläger am 7. Juni 2007 im Grundbuch der Provinz Como eine Zwangshypothek auf die Villa Vigoni, ein Eigentum des deutschen Staates in der Nähe des Comer Sees, eintragen (vgl. Rn. 35 oben).
110. Deutschland hat vor dem Gerichtshof vorgetragen, dass eine solche Zwangsmaßnahme die Immunität gegen Vollstreckung verletze, die ihm nach dem Völkerrecht zustehe. Italien hat nicht versucht, diese Maßnahme zu rechtfertigen. Es hat im Gegenteil dem Gerichtshof zu erkennen gegeben, dass „keine Einwände gegen eine Entscheidung des Gerichtshofs bestehen, mit der Italien dazu verpflichtet wird, dafür zu sorgen, dass die im Grundbuch eingetragene Hypothek auf die Villa Vigoni gelöscht wird“.
111. Als Folge der Gesetzesverordnung Nr. 63 vom 28. April 2010, des Gesetzes Nr. 98 vom 23. Juni 2010 und der Gesetzesverordnung Nr. 216 vom 29. Dezember 2011 wurde die fragliche Belastung ausgesetzt, um dem vor dem Gerichtshof in dem vorliegenden Fall anhängigen Verfahren Rechnung zu tragen. Sie wurde jedoch nicht gelöscht.
112. Der Gerichtshof ist der Meinung, dass unbeschadet der oben erwähnten Aussetzung und auch wenn Italien nicht darum bemüht ist, die internationale Gültigkeit der fraglichen Zwangsmaßnahme zu begründen, gleichwohl eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien in dieser Sache besteht, deren Gegenstand nicht beseitigt wurde. Italien hat nicht formell zugestanden, dass die Zwangshypothek auf der Villa Vigoni eine gegen seine internationalen Verpflichtungen verstoßende Maßnahme darstellt. Ebenso wurden die Wirkungen dieser Maßnahme nicht abgestellt, sondern lediglich ausgesetzt. Dem Gerichtshof wurde durch seinen Vertreter vorgetragen, dass die gegen Deutschland ergangenen Entscheidungen der italienischen Gerichte bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt worden seien und dass diese Entscheidungen erst vollstreckt würden, „sollte der Gerichtshof entscheiden, dass Italien die von Deutschland gerügten Unrechtshandlungen nicht begangen hat“. Dies bedeutet, dass die Belastung auf die Villa Vigoni reaktiviert werden könnte, sollte der Gerichtshof zu der Auffassung gelangen, dass sie nicht völkerrechtswidrig ist. Ohne dem Gerichtshof eine solche Schlussfolgerung nahezulegen, schließt Italien sie dennoch nicht aus und wartet die Entscheidung des Gerichtshofs ab, bevor entsprechende Maßnahmen getroffen werden.
Folglich sollte der Gerichtshof, wie dies von beiden Parteien gewünscht wird, über den zweiten Antrag Deutschlands entscheiden, der die Meinungsverschiedenheit bezüglich der gegen die Villa Vigoni ergriffenen Zwangsmaßnahme betrifft.
113. Bevor geprüft wird, ob die Ansprüche des Klägers in diesem Punkt begründet sind, stellt der Gerichtshof fest, dass die Immunität gegen Vollstreckung, die Staaten bezüglich ihres in einem fremden Hoheitsgebiet gelegenen Eigentums genießen, weiter geht als die gerichtliche Immunität, die diese Staaten vor ausländischen Gerichten genießen. Selbst wenn ein Urteil gegen einen fremden Staat rechtmäßig ergangen ist, ohne dass dieser gerichtliche Immunität beanspruchen konnte, ergibt sich daraus nicht ipso facto, dass der Staat, gegen den das Urteil ergangen ist, Gegenstand von Zwangsmaßnahmen auf dem Hoheitsgebiet des Forumstaates oder eines dritten Staates hinsichtlich der Vollstreckung des fraglichen Urteils sein kann. Entsprechend bedeutet auch ein Verzicht eines Staates auf seine gerichtliche Immunität vor einem fremden Gericht nicht per se, dass dieser Staat auf seine Immunität gegen Vollstreckung hinsichtlich seines Vermögens verzichtet, das in fremdem Hoheitsgebiet gelegenen ist.
Die Regeln des Völkergewohnheitsrechts bezüglich der Immunität gegen Vollstreckung und der gerichtlichen Immunität (stricto sensu als Recht eines Staates verstanden, nicht Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor den Gerichten eines anderen Staates zu sein) sind deutlich ausgeprägt und müssen getrennt angewendet werden.
114. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Gerichtshof über die Frage entscheiden kann, ob die Hypothek auf die Villa Vigoni eine die Immunität Deutschlands gegen Vollstreckung verletzende Maßnahme darstellt, ohne feststellen zu müssen, ob die Entscheidungen der griechischen Gerichte, durch die die finanziellen Entschädigungen gegen Deutschland verhängt wurden, zu deren Vollstreckung dieser Maßnahme ergriffen wurde, selbst eine Verletzung der gerichtlichen Immunität dieses Staates dargestellt haben.
Entsprechend stellt sich die Frage der internationalen Rechtmäßigkeit der fraglichen Zwangsmaßnahme angesichts der auf die Immunität gegen Vollstreckung anwendbaren Regeln, getrennt – und kann daher getrennt behandelt werden – von der Frage der internationalen Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der italienischen Gerichte, die auf italienischem Hoheitsgebiet die griechischen Urteile gegen Deutschland für vollstreckbar erklärten angesichts der für die gerichtliche Immunität anwendbaren Regeln. Letztere Frage, die Gegenstand des dritten von Deutschland beim Gerichtshof eingebrachten Antrags ist (vgl. Rn. 17 oben) wird im folgenden Abschnitt des Urteils beleuchtet.
115. Zur Unterstützung seines Anspruchs in dem hier zu erörternden Punkt hat Deutschland die in Artikel 19 des VN-Übereinkommens festgelegten Regeln zitiert. Dieses Übereinkommen ist noch nicht in Kraft getreten, kodifiziert jedoch nach Ansicht Deutschlands bezüglich der Frage der Immunität gegen Vollstreckung die bestehenden Regeln des allgemeinen Völkerrechts. Daher seien die Bedingungen verbindlich insofern als sie Gewohnheitsrecht zu dieser Angelegenheit wiedergeben.
116. Artikel 19 mit dem Titel „Staatenimmunität von Zwangsmaßnahmen, die nach einer gerichtlichen Entscheidung angeordnet werden“, lautet wie folgt:
„Gegen das Vermögen eines Staates dürfen im Zusammenhang mit einem Verfahren vor einem Gericht eines anderen Staates nach der Entscheidung keine Zwangsmaßnahmen, wie beispielsweise Pfändung, Beschlagnahme oder Vollstreckung, angeordnet werden, sofern und soweit nicht
(a) der Staat der Anordnung derartiger Maßnahmen ausdrücklich zugestimmt hat, und zwar
(i) durch internationale Vereinbarung,
(ii) durch eine Schiedsvereinbarung oder in einem schriftlichen Vertrag oder
(iii) durch eine Erklärung vor dem Gericht oder durch eine schriftliche Mitteilung nach Entstehen einer Streitigkeit zwischen den Parteien, oder
(b) der Staat Vermögen für die Befriedigung des Anspruchs, der Gegenstand des Verfahrens ist, bereitgestellt oder bestimmt hat oder
(c) der Nachweis erbracht worden ist, dass das Vermögen von dem Staat eigens zu anderen als nicht privatwirtschaftlichen staatlichen Zwecken genützt wird oder für eine solche Nutzung bestimmt ist und dass es sich im Gerichtsstaat befindet, vorausgesetzt, dass Zwangsmaßnahmen nach einer Entscheidung nur gegen Vermögen angeordnet werden dürfen, das mit dem Rechtsträger, gegen den das Verfahren gerichtet war, im Zusammenhang steht.“
117. Beim Entwurf des VN-Übereinkommens gaben diese Bestimmungen Anlass zu langen und schwierigen Diskussionen. Der Gerichtshof ist der Meinung, dass es für Zwecke des vorliegenden Falls nicht erforderlich ist, zu entscheiden, ob alle Aspekte von Artikel 19 das aktuelle Völkergewohnheitsrecht wiedergeben.
118. In der Tat begnügt sich der Gerichtshof damit, festzustellen, dass es zumindest eine Bedingung gibt, die erfüllt werden muss, bevor eine Zwangsmaßnahme gegen Vermögen eines fremden Staats ergriffen werden darf: das Vermögen muss für eine Aktivität genutzt werden, mit der keine hoheitlichen, nicht-wirtschaftlichen Zwecke verfolgt werden oder der Staat, in dessen Eigentum sich das Vermögen befindet, muss ausdrücklich der Zwangsmaßnahme zugestimmt haben oder der Staat hat das fraglichen Vermögen zur Befriedigung eines Rechtsanspruchs zugeteilt (ein Beispiel für diese gut eingeführte Praxis findet sich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1977 (BVerfGE 46, 342; ILR, Vol. 65, S. 146), im Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 30. April 1986 in Königreich Spanien gegen die Firma X (Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht. Annuaire Suisse de droit international, 43 (1987), S. 158; IlR, 82, S. 44) sowie dem Urteil des House of Lords vom 12. April 1984 in Alcom Ltd. v. Republic of Colombia ([1984] I AC 580; ILR, 74, S. 170) und dem Urteil des Spanischen Verfassungsgerichts vom 1. Juli 1992 in Abbot v. Republic of South Africa (Revista española de derecho internacional, 44 (1992), S. 565; ILR, 113, S. 414)).
119. Im vorliegenden Fall ist offenkundig, dass das Vermögen, das Gegenstand der fraglichen Zwangsmaßnahme war, für hoheitliche Zwecke verwendet wird, die in keiner Weise kommerzieller Natur sind und daher für Zwecke, die unter die hoheitlichen Funktionen Deutschlands fallen. Die Villa Vigoni ist tatsächlich Sitz eines Kulturzentrums, das der Förderung des kulturellen Austauschs zwischen Deutschland und Italien dienen soll. Diese Kulturzentrum wird auf Grundlage einer Vereinbarung, die zwischen beiden Regierungen in Form eines Austauschs von Noten vom 21. April 1986 geschlossen wurde, organisiert und verwaltet. Vor dem Gerichtshof hat Italien die fraglichen Aktivitäten als „Kompetenzzentrum der italienisch-deutschen Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung, Kultur und Bildung“ bezeichnet und anerkannt, dass Italien direkt an „seiner besonderen binationalen …. Verwaltungsstruktur“ mitwirke. Auch hat Deutschland in keiner Weise ausdrücklich dem Ergreifen einer Maßnahme wie der fraglichen Zwangshypothek zugestimmt oder die Villa Vigoni zur Befriedigung von Rechtsansprüchen gegen Deutschland zur Verfügung gestellt.
120. Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass die Eintragung einer Zwangshypothek auf die Villa Vigoni eine Pflichtverletzung Italiens bezüglich der Deutschland geschuldeten Immunität darstellt.
V. Die Entscheidungen italienischer Gerichte, mit denen Entscheidungen griechISCHer Gerichte, die ZIVILRECHTLICHEN Klagen gegen Deutschland stattgegeben haben, für in italien vollstreckbar erklärt wurden
121. In seinem dritten Antrag führt Deutschland darüber Beschwerde, dass seine gerichtliche Immunität auch durch Entscheidungen der italienischen Gerichte verletzt worden sei, mit denen von griechischen Gerichten gegen Deutschland in das Distomo-Massaker betreffenden Verfahren erlassene Urteile für in Italien vollstreckbar erklärt wurden. Im Jahr 1995 hatten Rechtsnachfolger der Opfer dieses Massakers, das von den deutschen Streitkräften in einem griechischen Dorf im Jahre 1944 verübt worden war, gegen Deutschland vor griechischen Gerichten auf Entschädigung geklagt. Mit Urteil vom 25. September 1997 wurde Deutschland durch das örtlich zuständige Erstinstanzliche Gericht in Livadia zur Zahlung einer Entschädigung an die Kläger verurteilt. Die Berufung Deutschlands gegen dieses Urteil wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Griechenland vom 4. Mai 2000 abgelehnt, womit das Urteil des Erstinstanzlichen Gerichts Rechtskraft erlangte und gleichzeitig Deutschland die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wurden. Die nach dem Urteil des Gerichts erster Instanz und dem Urteil des Obersten Gerichthofs erfolgreichen griechischen Kläger wandten sich an die italienischen Gerichte zwecks Exequatur dieser Urteile, um die Vollstreckung in Italien zu ermöglichen, da es nicht möglich war, sie in Griechenland oder in Deutschland vollstrecken zu lassen (siehe Rn. 30 und 32 oben). Aufgrund dieser Anträge entschied das Berufungsgericht Florenz und gab ihnen mit Entscheidung vom 13. Juni 2006, die nach Widerspruch Deutschlands am 21. Oktober 2008 bezüglich des durch das Erstinstanzliche Gericht in Livadia zugesprochenen finanziellen Schadenersatzes bestätigt wurde, und mit Entscheidung vom 2. Mai 2005 statt, die nach Wiederspruch Deutschlands am 6. Februar 2007 bezüglich der Kostenentscheidung des Obersten Gerichtshof Griechenlands bestätigt wurde. Diese letzte Entscheidung wurde durch den italienischen Kassationsgerichtshof am 6. Mai 2008 bestätigt. Auch gegen die Entscheidung, mit der bezüglich des Urteils des Erstinstanzlichen Gerichts in Livadia Exequatur gewährt wurde, wurde vor dem italienischen Kassationsgerichtshof Berufung eingelegt, der die Berufung am 12. Januar 2011 ablehnte.
122. Nach deutscher Ansicht stellen die Entscheidungen des Berufungsgerichts Florenz, mit denen die Urteile des Gerichts in Livadia und des Obersten Gerichtshofs Griechenlands für vollstreckbar erklärt wurden, Verletzungen seiner gerichtlichen Immunität dar, da, aus den gleichen Gründen, auf die sich Deutschland bezüglich der italienischen Verfahren zu in Italien zwischen 1943 und 1945 verübten Kriegsverbrechen beruft, die Entscheidungen der griechischen Gerichte selbst unter Verletzung der gerichtlichen Immunität ergangen seien.
123. Nach italienischer Ansicht jedoch und aus denselben Gründen wie sie unter Abschnitt III des vorliegenden Urteils dargestellt und erörtert werden, wurde die gerichtliche Immunität Deutschlands weder durch die Entscheidungen der griechischen Gerichte noch durch die der italienischen Gerichte, die diese für in Italien vollstreckbar erklärten, verletzt.
124. Es sollte zunächst festgestellt werden, dass das Klagebegehren im dritten Antrag Deutschlands völlig getrennt und losgelöst von dem oben dargestellten ist, das in Abschnitt IV oben (Rn. 109 bis 120) erörtert wurde. Der Gerichtshof muss hier nicht mehr feststellen, ob eine Zwangsmaßnahme – wie die Zwangshypothek auf die Villa Vigoni – die Immunität Deutschlands gegen Vollstreckung verletzt, sondern muss entscheiden, ob die italienischen Urteile, mit denen die in Griechenland zugesprochenen finanziellen Entschädigungen als in Italien vollstreckbar erklärt wurden, selbst – unabhängig von nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen – eine Verletzung der gerichtlichen Immunität des Klägers darstellen. Obwohl eine Verbindung zwischen diesen beiden Aspekten besteht – da die Auferlegung der Zwangsmaßnahme gegen die Villa Vigoni nur auf Grundlage der Urteile des Berufungsgerichts Florenz möglich war, das für das Urteil des griechischen Gerichts in Livadia Exequatur erteilt hat – sind beide Fragen jedoch klar voneinander getrennt. Im vorstehenden Abschnitt ging es um die Immunität gegen Vollstreckung. Nunmehr muss sich der Gerichtshof jedoch mit der Immunität gegen Gerichtsbarkeit beschäftigen. Wie oben bereits erwähnt unterliegen beide Formen der Immunität unterschiedlichen Regeln.
125. Der Gerichtshof wird sodann seine Sicht der Frage der gerichtlichen Immunität in Bezug auf ein Urteil erläutern, in dem nicht über den Sachverhalt einer gegen einen fremden Staat erhobenen Klage entschieden wird, sondern über einen Antrag, nach dem ein Urteil, das von einem fremden Gericht gegen einen Drittstaat erlassen wurde, auf dem Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats, in dem dieser Antrag gestellt wird, vollstreckbar erklärt werden soll (ein Exequaturantrag). Die Schwierigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass in diesen Fällen das Gericht nicht um ein Urteil direkt gegen einen fremden Staat, der sich auf gerichtliche Immunität beruft, ersucht wird, sondern um Vollstreckung eines bereits durch ein Gericht eines anderen Staates erlassenen Urteils, wobei davon ausgegangen wird, dass dieses bereits selbst die Immunität des beklagten Staates geprüft und die entsprechenden Regeln angewendet hat.
126. Im vorliegenden Fall haben beide Parteien offensichtlich dahingehend argumentiert, dass in einer solchen Situation die Frage, ob das um Exequatur ersuchte Gericht die gerichtliche Immunität des Drittstaates beachtet hat, einfach davon abhängt, ob diese Immunität durch das fremde Gericht, von dem das Urteil in der Sache gegen den dritten Staat erlassen wurde, beachtet wurde. In anderen Worten haben offenbar beide Parteien die Frage, ob das Berufungsgericht Florenz die gerichtliche Immunität Deutschlands bei der Vollstreckbarkeitserklärung der Entscheidungen des Gerichts in Livadia und des Obersten Gerichtshofs Griechenlands verletzt hat, davon abhängig gemacht, ob diese Entscheidungen selbst die gerichtliche Immunität verletzt haben, die Deutschland in seiner Verteidigung gegen die in Griechenland eingeleiteten Verfahren für sich beansprucht hat.
127. Nationale Gerichte werden vor der Gewährung des Exequatur in keiner Weise daran gehindert, sich davon zu überzeugen, dass das ausländische Urteil nicht unter Verletzung der Immunität des beklagten Staates ergangen ist. Für Zwecke des vorliegenden Falles jedoch ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Frage von einem völlig anderen Standpunkt aus zu prüfen ist. Seiner Meinung nach ist es zur Entscheidung über die Frage, ob das Berufungsgericht Florenz die gerichtliche Immunität Deutschlands verletzt hat, nicht notwendig darüber zu entscheiden, ob durch die Entscheidungen der griechischen Gerichte selbst diese Immunität verletzt wurde, – was er im Übrigen auch nicht könnte, da damit über die Rechte und Pflichten eines Staats, nämlich Griechenland, zu entscheiden wäre, der nicht Partei im vorliegenden Verfahren ist (siehe Monetary Gold Removed From Rome in 1943 (Italy v. France; United Kingdom and United States of America); Vorfrage; Urteil, I.C.J Reports 1954, S. 32; East Timor (Portugal v. Australia), Urteil, I.C.J. Reports 1955, S. 105, Nr. 34).
Die relevante Frage ist aus Sicht des Gerichtshofs und für Zwecke des vorliegenden Falls, ob die italienischen Gerichte selbst die gerichtliche Immunität Deutschlands bei Zulassung des Exequaturantrags beachtet haben und nicht, ob das griechische Gericht, von dem das Urteil erlassen wurde, für das Exequatur beantragt wird, die gerichtliche Immunität Deutschlands beachtet hat. In einer solchen Situation müssen die Antworten auf beide Fragen nicht notwendigerweise identisch sein. Nur der ersten Frage ist hier vom Gerichtshof nachzugehen.
128. Wenn ein Gericht, wie im vorliegenden Fall, wegen eines Exequaturantrags für ein ausländisches Urteil gegen einen Drittstaat angerufen wird, muss es selbst seine Gerichtsbarkeit gegenüber dem betroffenen Drittstaat ausüben. In der Tat geht es im Exequaturverfahren nicht um eine Entscheidung in der Sache, sondern lediglich um die Erklärung der Vollstreckbarkeit eines bestehenden Urteils auf dem Hoheitsgebiet eines Staates, bei dem es sich nicht um den Staat handelt, in dem das Gericht in der Sache entschieden hat. Es ist somit nicht Aufgabe des Exequaturgerichts, den Fall, über den entschieden wurde, in allen seinen Aspekten inhaltlich erneut zu prüfen. Tatsache ist jedoch, dass das Gericht mit der Gewährung oder Verweigerung des Exequatur eine gerichtliche Befugnis ausübt, durch die das fremde Urteil die gleichen Wirkungen erlangt wie ein Urteil, das in dem angerufenen Staat selbst in der Sache ergangen ist. Das vor diesem Gericht eingeleitete Verfahren muss daher als Verfahren gegen den Drittstaat angesehen werden, der Gegenstand des ausländischen Urteils war.
129. In dieser Hinsicht stellt der Gerichtshof nach Artikel 6, Abs. 2 des VN-Übereinkommens fest:
„Ein Verfahren vor einem Gericht eines Staates gilt als gegen einen anderen Staat eingeleitet, wenn dieser andere Staat
(a) als Partei in diesem Verfahren benannt wird oder
(b) zwar nicht als Partei in dem Verfahren benannt wird, das Verfahren aber tatsächlich darauf abzielt, das Vermögen, die Rechte, die Interessen oder die Tätigkeiten dieses anderen Staates zu beeinträchtigen.“
In Anwendung auf ein Exequaturverfahren beinhaltet diese Definition, dass ein solches Verfahren als gegen den Staat eingeleitet anzusehen ist, der Gegenstand des ausländischen Urteils war. Aus eben diesem Grunde war Deutschland zum Widerspruch gegen die Exequaturentscheidungen des Berufungsgerichts von Florenz – auch wenn dieser erfolglos blieb – und zur Berufung beim italienischen Kassationsgerichtshof gegen die Urteile, mit denen diese Entscheidungen bestätigt wurden, berechtigt.
130. Aus vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass das mit einem Exequaturantrag für ein ausländisches, gegen einen Drittstaat ergangenes Urteil angerufene Gericht sich selbst die Frage stellen muss, ob der beklagte Staat – unter Berücksichtigung der Natur des Falls, in dem das Urteil ergangen ist – gerichtliche Immunität gegenüber den Gerichten des Staates besitzt, in dem das Exequaturverfahren eingeleitet wurde. In anderen Worten muss es sich selbst die Frage stellen, ob, falls es selbst in einem Streitfall mit identischem Sachverhalt wie dem, zu dem das ausländische Urteil ergangen ist, angerufen würde, nach dem Völkerrecht dazu verpflichtet gewesen wäre, dem beklagten Staat Immunität zu gewähren (vgl. hierzu Urteil des Supreme Court of Canada in Kuwait Airways Corp. v. Iraq [2010] SCR, Vol. 2, S. 571 und Urteil des United Kingdom Supreme Court in NML Capital Limited v. Republic of Argentina [2011] UKSC 31).
131. Im Lichte dieser Überlegung ergibt sich, dass die italienischen Gerichte, die Entscheidungen griechischer Gerichte gegen Deutschland für in Italien vollstreckbar erklärt haben, seine Immunität verletzt haben. Aus den in Abschnitt III oben des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen wären die italienischen Gerichte dazu verpflichtet gewesen, Deutschland Immunität zu gewähren, wären sie in einem Fall mit identischem Sachverhalt angerufen worden, wie er Gegenstand der Entscheidungen der griechischen Gerichte war, bezüglich derer sie wegen einer Vollstreckbarkeitserklärung angerufen wurden (nämlich der Fall des Distomo-Massakers). Entsprechend konnten sie kein Exequatur ohne Verletzung der gerichtlichen Immunität Deutschlands gewähren.
132. Um zu einer solchen Entscheidung zu gelangen, muss nicht über die Frage entschieden werden, ob die griechischen Gerichte selbst die Immunität Deutschlands verletzt haben. Diese Frage wurde dem Gerichtshof nicht gestellt und kann weiterhin aus den oben geschilderten Gründen nicht von ihm entschieden werden. Der Gerichtshof beschränkt sich darauf festzustellen, dass generell unter bestimmten Umständen sehr wohl der Fall eintreten kann, dass das in der Sache ergangene Urteil nicht die gerichtliche Immunität des beklagten Staates verletzt, z. B. weil dieser auf seine Immunität vor den Gerichten, vor denen der Sachverhalt verhandelt wird, verzichtet hat, während das in einem anderen Staat eingeleitete Exequaturverfahren durch die Immunität des Beklagten untersagt ist. Daher handelt es sich um zwei verschiedene Fragestellungen und daher kann im vorliegenden Urteil nicht über die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der griechischen Gerichte befunden werden.
133. Der Gerichtshof gelangt deshalb zu der Auffassung, dass die oben genannten Entscheidungen des Berufungsgerichts Florenz eine Verletzung der Pflichten Italiens bezüglich der gerichtlichen Immunität Deutschlands darstellen.
VI. Deutschlands SCHLUSSANTRÄGE und eingelegte Rechtsbehelfe
134. In seinen Schlussanträgen am Ende der mündlichen Verhandlung hat Deutschland sechs Anträge an das Gericht gestellt, wobei es sich bei den drei ersten um Feststellungsanträge handelte, während die letzten drei darauf gerichtet waren, die Schlussfolgerungen aus den festgestellten Verletzungen im Hinblick auf Wiedergutmachung zu ziehen (vgl. Nr. 17 oben). Es ist Aufgabe des Gerichtshofs über diese Anträge im Urteilstenor zu entscheiden.
135. Aus den in den Abschnitten III, IV und V oben dargestellten Gründen unterstützt der Gerichtshof die ersten drei Anträge Deutschlands, in denen darum ersucht wird festzustellen, dass Italien die gerichtliche Immunität verletzt hat, die Deutschland nach dem Völkerrecht genießt, indem zivilrechtliche Klagen auf Grund von durch das Deutsche Reich zwischen 1943 und 1945 begangenen Verletzungen des humanitären Völkerrechts zugelassen wurden; dass Italien weiterhin die Deutschland geschuldete Immunität durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Villa Vigoni verletzt hat und letztlich, dass Italien die Immunität Deutschlands dadurch verletzt hat, dass griechische Urteile zu ähnlichen Vorfällen wie den oben geschilderten in Italien für vollstreckbar erklärt wurden.
136. In seinem vierten Antrag bittet Deutschland das Gericht zu erkennen, dass angesichts der obigen Ausführungen, die internationale Verantwortung Italiens betroffen ist.
Es besteht kein Zweifel daran, dass durch die Verletzung bestimmter völkerrechtlicher Pflichten durch Italien seine internationale Verantwortung betroffen ist und ihm aufgrund des allgemeinen Völkerrechts eine Verpflichtung auferlegt wird, die durch die begangenen Unrechtshandlungen entstandenen Verletzungen vollständig wiedergutzumachen. Der Inhalt dieser Verpflichtung zur Wiedergutmachung im vorliegenden Fall wird weiter unten in Zusammenhang mit den deutschen Anträgen fünf und sechs dargestellt. Die diesbezügliche Entscheidung des Gerichtshofs wird im Urteilstenor verkündet. Andererseits erachtet es das Gericht nicht für notwendig, im Tenor eine ausdrückliche Erklärung darüber aufzunehmen, dass die internationale Verantwortung Italiens betroffen ist. Dies wäre völlig redundant, da diese Verantwortung automatisch aus der Feststellung, dass bestimmte Pflichten verletzt wurden, abzuleiten ist.
137. In seinem fünften Antrag ersucht Deutschland den Gerichtshof zu verfügen, dass Italien mit Mitteln seiner eigenen Wahl alle Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass alle Entscheidungen seiner Gerichte und sonstiger Justizbehörden, mit denen die Staatenimmunität Deutschlands verletzt wird, ihre Vollstreckbarkeit verlieren. Dies ist so zu verstehen, dass auch die jeweiligen Entscheidungen ihre Rechtskraft verlieren sollen.
Nach dem allgemeinen Völkerrecht über die Verantwortung von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln wie sie diesbezüglich in Artikel 30 (a) der Artikelentwürfe der International Law Commission zu diesem Thema formuliert wird, ist der für das völkerrechtswidrige Handeln verantwortliche Staat dazu verpflichtet, dieses Handeln einzustellen, wenn es noch fortdauert. Selbst wenn das fragliche Handeln eingestellt wurde, unterliegt der verantwortliche Staat der Verpflichtung im Wege der Wiedergutmachung die Situation wiederherzustellen, die vor der Begehung des rechtwidrigen Handelns bestanden hat, vorausgesetzt, dass die Wiederherstellung nicht tatsächlich unmöglich ist und dass sie für diesen Staat nicht eine Belastung enthält, die außer allem Verhältnis zu dem Vorteil steht, der sich aus der Wiederherstellung anstelle von Schadensersatz ergibt. Diese Regel wird in Artikel 35 der Artikelentwürfe der International Law Commission wiedergegeben.
Entsprechend ergibt sich, dass der Gerichtshof dem fünften Antrag Deutschlands stattzugeben hat. Die noch rechtskräftigen Entscheidungen und Maßnahmen, die die gerichtliche Immunität Deutschlands verletzt haben, sind außer Kraft zu setzen und die Wirkungen, die bereits durch diese Entscheidungen und Maßnahmen herbeigeführt wurden, rückgängig zu machen, so dass die Situation, die vor Begehung des rechtswidrigen Handelns bestanden hat, wiederhergestellt wird. Es wurde nicht behauptet oder nachgewiesen, dass in diesem Falle eine Wiederherstellung tatsächlich unmöglich wäre oder dass damit eine Belastung für Italien verbunden wäre, die außer allem Verhältnis zu dem Vorteil steht, der sich daraus ergibt. Insbesondere hebt die Tatsache, dass einige der Verletzungen eventuell durch Justizorgane begangen wurden und andere fragliche gerichtliche Entscheidungen nach dem innerstaatlichen Recht Italiens in Rechtskraft erwachsen sind, die Wiederherstellungsverpflichtung Italiens nicht auf. Andererseits hat der Beklagte das Recht, die Mittel zu wählen, die er für am besten geeignet hält, um das erforderliche Ergebnis zu erreichen. Daher ist der Beklagte verpflichtet, dieses Ergebnis durch Erlassen von Regelungen oder Rückgriff auf andere Methoden seiner Wahl zu erzielen, die dieselbe Wirkung haben.
138. In seinem sechstem Antrag ersucht Deutschland schließlich den Gerichtshof zu verfügen, dass Italien alle Maßnahmen zu ergreifen hat, um in der Zukunft sicherzustellen, dass italienische Gerichte keine Verfahren gegen Deutschland betreiben, die auf den im ersten Vortrag geschilderten Vorfällen beruhen (nämlich Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die durch das Deutsche Reich zwischen 1943 und 1945 begangen wurden).
Wie der Gerichtshof in früheren Fällen bereits ausgeführt hat (vgl. insbesondere Dispute regarding Navigational and Related Rights (Costa Rica v. Nicaragua), Urteil, I.C.J. Reports 2009, S. 367, Nr. 150), gibt es generell keinen Grund für die Annahme, dass ein Staat, dessen Handeln oder Verhalten durch den Gerichtshof für rechtswidrig erklärt wurde, dieses Handeln oder Verhalten in der Zukunft wiederholt, da von seinem guten Glauben auszugehen ist. Während der Gerichtshof den Staat, der für ein völkerrechtswidriges Handeln verantwortlich ist, zur Abgabe von Versicherungen der Nichtwiederholung gegenüber dem verletzten Staat oder zum Ergreifen spezifischer Maßnahmen auffordern kann, um sicherzustellen, dass das rechtswidrige Handeln sich nicht wiederholt, kann er dies nur dann, wenn besondere Umstände herrschen, die dies rechtfertigen, was wiederum vom Gerichtshof im Einzelfall zu entscheiden ist.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof keinen Grund zu der Annahme, dass derartige Umstände vorliegen. Daher wird dem letzten Antrag Deutschlands nicht stattgegeben.
*
* *
139. Aus diesen Gründen
stellt der Gerichtshof wie folgt fest:
(1) mit zwölf zu drei Stimmen
dass die Italienische Republik ihre Pflichten bezüglich der Immunität, die die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht genießt, verletzt hat, indem zivilrechtliche Klagen gegen sie wegen durch das Deutsche Reich zwischen 1943 und 1945 begangener Verletzungen des humanitären Völkerrechts zugelassen wurden;
DAFÜR: Präsident Owada, Vizepräsident Tomka, Richter Koroma, Simma, Abraham, Keith, Sepúlveda-Amor, Bennouna, Skotnikov, Greenwood, Xue, Donoghue;
DAGEGEN: Richter Cançado Trindade, Yusuf, ad-hoc-Richter Gaja;
(2) mit vierzehn zu einer Stimme
dass die Italienische Republik ihre Pflichten bezüglich der Immunität, die die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht genießt, verletzt hat, indem Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Villa Vigoni verhängt wurden;
DAFÜR: Präsident Owada, Vizepräsident Tomka, Richter Koroma, Simma, Abraham, Keith, Sepúlveda-Amor, Bennouna, Skotnikov, Yusuf, Greenwood, Xue, Donoghue; ad-hoc-Richter Gaja;
DAGEGEN: Richter Cançado Trindade;
(3) mit vierzehn zu einer Stimme,
dass die Italienische Republik ihre Pflichten bezüglich der Immunität, die die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht genießt, verletzt hat, indem Entscheidungen griechischer Gerichte auf Grundlage von Verletzungen des humanitären Völkerrechts, die in Griechenland durch das Deutsche Reich begangen wurden, für in Italien vollstreckbar erklärt wurden;
DAFÜR: Präsident Owada, Vizepräsident Tomka, Richter Koroma, Simma, Abraham, Keith, Sepúlveda-Amor, Bennouna, Skotnikov, Yusuf, Greenwood, Xue, Donoghue; ad-hoc-Richter Gaja;
DAGEGEN: Richter Cançado Trindade;
(4) mit vierzehn zu einer Stimme,
dass die Italienische Republik durch Erlass entsprechender Regelungen oder Ergreifen anderer Maßnahmen ihrer Wahl sicherzustellen hat, dass die Entscheidungen ihrer Gerichte und anderer Gerichtsbehörden, welche die Immunität, die die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht genießt, verletzen, außer Kraft gesetzt werden;
DAFÜR: Präsident Owada, Vizepräsident Tomka, Richter Koroma, Simma, Abraham, Keith, Sepúlveda-Amor, Bennouna, Skotnikov, Yusuf, Greenwood, Xue, Donoghue; ad-hoc-Richter Gaja;
DAGEGEN: Richter Cançado Trindade;
und weist alle anderen Anträge der Bundesrepublik Deutschland
(5) einstimmig
zurück.
Erstellt in französischer und englischer Sprache, wobei der französische Wortlaut maßgeblich ist, im Friedenspalast in Den Haag am dritten Februar zweitausendzwölf, in vier Ausfertigungen, von denen eine dem Archiv des Gerichtshofs zugeführt wird und die anderen an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, die Regierung der Italienischen Republik und die Regierung der Hellenischen Republik ergehen.
(gezeichnet) Hisashi Owada
Präsident
(gezeichnet) Philippe Couvreur,
Kanzler
Die Richter KOROMA, KEITH und BENNOUNA fügen dem Urteil des Gerichtshofs gesonderte Voten bei; die Richter CANÇADO TRINDADE und YUSUF fügen dem Urteil des Gerichtshof abweichende Voten bei; ad hoc-Richter GAJA fügt dem Urteil des Gerichtshofs ein abweichendes Votum bei.
(Paraphiert) H.O.
(Paraphiert) Ph.C.
Vielen Dank. Woher stammt die Übersetzung?
Und ja, ich sehe auch nichts von Rechtsnachfolge, sondern nur, daß die BRD als mit D identisch behandelt wird.
Ein Staat ist seiner Natur nach eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, weil er keine private Körperschaft ist. Aber er nimmt auch am Wirtschaftsleben teil, etwa als Arbeitgeber oder als Käufer von Waren oder Dienstleistungen. Ab und zu braucht doch Frau Merkel mal einen Bleistift. Wo ist da das Problem?
Ein Staat ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, jedenfalls nicht der klassische Staat, sondern er hat welche. Erstmals in D eingeführt im Preußen des 18. Jh. Später vielleicht ausführlicher, hab grad wenig Zeit.
Die Übersetzung habe ich in Auftrag gegeben.- Mein Englisch hätte nicht ausgereicht.
Copyright by brd2go ;-))
Es muss ja einen Grund haben, warum solch ein wesentliches Urteil nicht in Deutsch erhältlich ist!!
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Spitze Klammern sind html-Code. Das wird nicht angezeigt. Was wolltest du denn schreiben?
Das Problem ist, daß, wenn der Staat handelsrechtlich unterwegs ist, seine Staatsangehörigen zu Humankapital werden.
Um genau hier an dieser Stelle einen Kommentar aus einer anderen Rubrik zu kombinieren, frage ich, worauf eine Landesregierung deren kommunale Abgabenordnung stellt? Basiert alles auf der Abgabenordnung von 1977 ?
Es ist doch von entscheidender Wichtigkeit für die Sachbearbeiter/innen einer Kommune, wie der Dienstherr seine Arbeitskräfte rechtlich absichert, wenn es immer wieder heißt, die AO wäre wegen des Zitiergebotes nichtig.
Salvatore
Meiner Erfahrung nach ist das den Sachbearbeitern einer Kommune völlig egal. Sie haben Anweisung von oben und sehen sich daher abgesichert. Mehr wollen sie nicht.
Siehe mein neuester Blog-Eintrag von eben: Wenn man mal genau hinschaut, stimmt das alles vorne und hinten nicht. Ein einziger großer Schmu.
Danke für die Info!
Nur noch einmal Richtigstellen:
>>Ich meine, dass durch das Urteil eins bestätigt wird, die BRD ist NICHT der Rechtsnachfolger des DEUTSCHEN REICHS!<<
Sehe ich auch so, wie gesagt. Vielmehr wird sie als subjektidentisch mit dem Deutschen Reich behandelt – was nicht heißt, daß sie es völkerrechtlich legitimiert sein kann, soweit ich bisher sehe. Sie ist und bleibt die Kammerjungfer, die illegitim auf dem Thron sitzt.